Können jede Hand gebrauchen

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Hinter den berittenen Auftritten des Fanfarenzugs Freckenhorst steckt eine enorme Logistik

Freckenhorst – Sonntagabend bekam ich einen Anruf von meinem Sohn Randolph als Vorsitzender des Berittenen Fanfarenzuges Freckenhorst :“ Bist du gut zu Fuß ? Hast du morgen Zeit ?“ – „Gut zu Fuß bin ich derzeit nicht. Aber Zeit hätte ich.“ – „Wir haben morgen, am Montag, einen umfangreichen Auftritt in Bad Bentheim beim Stadtschützenfest, das nur alle sieben Jahre stattfindet. Wir können jede Hand gebrauchen, zum Halten der Pferde, zum Anreichen von Material, zur spontanen Mithilfe und zum Fotografieren unseres Auftrittes. Ich hol dich morgen früh um 4 Uhr ab“.

Wenn man die berittenen Auftritte des Fanfarenzuges Freckenhorst sieht, kann man nicht erahnen, was sich die Mitglieder dafür gefallen lassen. Bewunderung und Respekt muss man ihnen zollen, wenn man die Vorbereitung, die Logistik, die eingespielten Abläufe vor Ort und die gleichzeitige Freundschaft und Harmonie der Musiker und ihrer Helfer einmal selbst miterleben durfte.

Als bei mir um 3 Uhr der Wecker klingelte, waren bereits neun Fahrer/innen mit ihren Pferdeanhängern unterwegs, um die benötigten fünfzehn Pferde von den jeweiligen Haltern abzuholen. Um 4:45 Uhr war auch das letzte Gespann beim Sammelpunkt auf dem Parkplatz Ortsausgang Everswinkel eingetroffen, dann ging es gemeinsam auf die Fahrt nach Bad Bentheim. Der erste Auftritt war bereits für 7:30 Uhr vorgesehen.

In einem nahen Industriegelände wurde den Freckenhorstern ein großer Parkplatz zugewiesen. Dort wurden die fünfzehn Pferde sofort abgeladen und anschließend gestriegelt, Staub und loses Fell ausgebürstet, die Hufe ausgekratzt und eingefettet. Von großer Wichtigkeit ist immer wieder die richtige Ausrüstung des Materialwagens, alle benötigten Utensilien von Trensen und Brustgeschirr, Standarten, Fanfaren bis zu den Uniformen mussten vollständig an ihrem Platz sein, denn nur so konnten alle Pferde ohne Probleme rechtzeitig für den Umzug vorbereitet werden.

Als fast alle Musikerinnen und Musiker bereits auf ihren Pferden saßen, bemühte sich ihr 13-jähriger Nachwuchspauker Niklas Mersmann immer noch verzweifelt, seine Reitstiefel anzuziehen. Mit einer Mischung aus fast väterlicher Fürsorge und konsequentem Zupacken unterstützten ihn seine älteren Kameraden. Erleichtert stieg auch Niklas auf sein Paukenpferd, zu seinem bisher größten berittenen Auftritt als Paukenspieler. Dann ging es direkt zum ersten Umzug durch die in ein gelb-rotes Fahnen-, Wimpel- und Blumenmeer getauchte Stadt. Der Berittene Fanfarenzug Freckenhorst an der Spitze des Zuges wurde zum begehrten Fotoobjekt. Der junge Niklas, der fast hinter seinen Pauken verschwand, bekam von den Passanten immer wieder großes Lob „ Das machst du ganz toll !“ Mit einem stolzen Lächeln und einem höflichen Dankeschön beantwortete er den Zuspruch.

Zunächst holten die Bentheimer Schützen im großen Umzug ihren „Kapitän der Alten“ (Oberst) ab, der den versammelten Schützen die Regeln der Schützentage erläuterte. Berechtigte Teilnehmer am Schützenfest waren alle Bürger, die für einen festgesetzten Obolus einen Button mit gelb-roter Schleife gekauft und damit eine Mitgliedschaft auf Zeit erworben hatten. Sie durften auch am Königsschießen teilnehmen, das eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, denn Schießstand, Schießbahn und Schießscheibe waren hinter schwarzen Siloplanen versteckt. Um Punkt elf Uhr, wie im Programm angekündigt, wurde der neue Schützenkönig auf den Schultern von zwei Mitbewerbern aus dem Schießhäuschen getragen und proklamiert.

Während dieser Zeit hielten sich die Freckenhorster mit ihren Pferden auf einem nahe gelegenen städtischen Bauhof auf. Dort konnten sie ihr Frühstück einnehmen, für das Klaus Achtermann gesorgt hatte. Bereits am Vorabend mußte er Kühltaschen mit Frikadellen, Mettendchen, Wasser und Apfelschorle befüllen. Josef Stamkötter aus dem Westbezirk, Pferdebesitzer und langjähriger treuer Begleiter des Vereins hatte zwischenzeitlich frische Brötchen besorgt.

Dann hieß es wieder, in den Sattel zu steigen, um den neuen König in einem wiederum langem Umzug durch fast alle Straßen der Stadt nach Hause zu bringen. Dort löste sich der Zug auf, und der Berittene Fanfarenzug kehrte zum ursprünglichen Sammelplatz zurück, wo alle einen stärkenden Eintopf vom Veranstalter serviert bekamen. Nun war auch Zeit, die Pferde zu versorgen. Die Pause bis zum nächsten Umzug wurde genutzt, im Autositz ein kleines Nickerchen zu machen. „Schatzmeister“ Sebastian Niemerg regelte zwischenzeitlich die Auslagen für die Nutzung der Pferde und die entstandenen Fahrtkosten. Dann hieß es „Uniform wechseln“. Die bekannte rote Reiteruniform wich der grünen Friedensreiteruniform mit dem federgeschmückten Hut. In einem „traditionellen bunten Zug“, der durch die Teilnahme von den Bentheimer Ehefrauen und Freundinnen fast doppelt so lang war, wurde das neue Königspaar mit den Thronpaaren hinauf in den Hof der Burg Bentheim geleitet, wo mit einer feierlichen Huldigung und einem Ehrentanz die Umzüge ihren Abschluss fanden.

Der Auftritt des Berittenen Fanfarenzuges Freckenhorst gehörte für die Veranstalter und die vielen Tausend Zuschauer in den Straßen sicherlich zu einem Höhepunkt. Aus der niederländischen Stadt Losser, nur wenige Kilometer von Bad Bentheim entfernt, meldeten sich anschließend Vertreter eines Vereins beim Vorstand des BFF, um die Freckenhorster Formation für 2012 vorzubuchen.

Nach mehr als sieben Kilometern in meinen müden Beinen gestanden einige der Musiker, dass auch ihnen ein bestimmtes Körperteil etwas schmerzte, und sie vermuteten, dass die Pferde das ungewohnte Auf und Ab in den Bentheimer Straßen ebenfalls spüren würden.
Mit dem Absatteln und Einladen der Pferde, dem Reinigen der Trensen, dem sorgfältigen Einräumen aller Utensilien, dem abschließenden Transport der Pferde in ihre Heimatställe endete um 21.30 Uhr ein langer interessanter Tag für die Aktiven und Pferde des Berittenen Fanfarenzuges Freckenhorst, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

14.09.2011
Dieter Mevert